Heizen mit Eis

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Foto: Jens Scholz

Eisspeicherheizung, Solarthermie und Wärmepumpe: Mit einer CO2-armen Energieerzeugung hält die WIRO Wohnen in Rostock in einer neu gebauten Wohnanlage die warmen Betriebskosten – die „zweite Miete“ - gering. 39 Wohnungen und eine Gewerbeeinheit können dank des modernen Energiekonzeptes zu wettbewerbsfähigen Mietpreisen angeboten werden – und das in einem vom Plattenbau geprägtem Stadtteil, der primär für günstiges Wohnen steht.

“Heizen mit Eis” ist zunächst einmal ein Slogan, der stutzig macht: Ist das nicht etwas zu kalt zum Heizen? Nein. Die Idee einer Eisspeicherheizung ist natürlich nicht, zukünftig Eis in die Heizkörper zu pumpen. Das Geheimnis der Eisspeicherheizung ist der Aspekt der Kristallisationswärme. Hierbei greift ein einfaches physikalisches Gesetz: Ändert ein Stoff seinen Aggregatzustand von flüssig nach fest, wird Energie entzogen. Und zwar in derselben Menge, die auch benötigt wird, um den Stoff wieder flüssig werden zu lassen.

39 Wohnungen und eine Tierarztpraxis im Fritz-Meyer-Scharffenberg-Weg beheizt die WIRO Wohnen in Rostock mit dieser innovativen Technologie. „Die zentralen Komponenten für dieses System sind der Eisspeicher, zwei Wärmepumpen und mehrere Luft-Solar-Absorber auf den Flachdächern der Wohnanlage“, erklärt Stephan Strobel, Bauleiter des Projekts. Dafür wurde im Außenbereich der vom kommunalen Vermieter 2014 neu gebauten Häuser ein Betonspeicher in der Erde versenkt. In seinem Inneren schlängeln sich 12 Kilometer lange Rohre für den Energieeintrag und –entzug, gefüllt mit einem speziellen Frostschutzmittel. Im Speicher selbst befindet sich gewöhnliches Leitungswasser. „Fünf Tage lang“, erzählt Strobel, „flossen insgesamt 316.000 Liter in den brunnenähnlichen Tank.“

Frost wird zu Wärme

Wie aus Frost Wärme wird, verstehen Physiker und Techniker sofort: Eine Wärmepumpe entzieht dem Wasser im Speicher Energie, bis es zu Eis wird. Ab null Grad Celsius beginnt das Wasser kontrolliert zu gefrieren – und zwar von innen nach außen. Die dabei erzeugte Energie wird als Wärme in den Heizkreislauf gepumpt und über Fußbodenheizungen in den Wohnbereich abgegeben. Ist das Wasser im Tank gefroren, sorgt eine intelligente Steuerung dafür, dass es auch bei bedecktem Himmel und nachts mithilfe von Solarkollektoren auf den Dächern und Bodenwärme wieder taut. Dann beginnt der Kreislauf von vorn - selbst bei arktischen Temperaturen. „Und sollte auf das milde Ostseeklima mit vielen Sonnenstunden tatsächlich einmal kein Verlass sein, lässt sich die mobile Heizstation in Betrieb nehmen, die die gut gedämmten Häuser bereits während der Bauphase vorgeheizt hat“, so Strobel.

Cleveres Energiemanagement – günstige Miete

Von der Kombination aus Eisspeicherheizung, Solarthermie und Wärmepumpe verspricht sich die WIRO auf Dauer eine weitgehende Abkopplung von Energiepreissteigerungen. Die Erzeugung der Heizenergie ist mit diesem System völlig unabhängig von endlichen und fossilen Brennstoffen. Auf aufwendige Maßnahmen zur Dämmung und Energieeinsparung über die EnEV-Mindestanforderungen hinaus konnte zudem verzichtet werden - ein entscheidender Beitrag zu geringeren Baukosten und wettbewerbsfähigen Mieten.

Die Baukosten für die innovative Anlage betrugen 412.720 Euro, gefördert mit einem Zuschuss von 111.434 Euro vom Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern. Der Grund: Eisspeicherheizungen sind nicht nur umweltschonend, sie punkten auch wirtschaftlich. Die Heizkosten für Mieter sinken mit dieser Technologie um rund 25 bis 30 Prozent jährlich: Luft- und Solarwärme kosten nichts, zu Buche schlagen nur die Stromkosten für Pumpen und Steuerung.

Herausforderung und Chance zugleich
„Neue Mietwohnungen mit modernem Energiekonzept zu marktfähigen Preisen anzubieten, war für das Unternehmen Herausforderung und Chance zugleich“, sagt Ralf Zimlich, Vorsitzender der WIRO-Geschäftsführung. „Im nordwestlich gelegenen Stadtteil Groß-Klein wohnen Rostocker vergleichsweise günstig, neu gebaute Wohnanlagen sind jedoch Mangelware.“ Ein Grund für die Wohnungsgesellschaft, das Bestands-Quartier zu erweitern.

Das Wohnviertel um den Fritz-Meyer-Scharffenberg-Weg existiert seit 1982 und grenzt an das ursprüngliche Dorf Groß-Klein und das Warnow-Ufer. Im Osten schließt sich die Großwohnsiedlung Groß-Klein an, entstanden 1979 bis Mitte der 1980er. Die gute Lage zwischen Warnow, IGA-Landschaftspark und der nur zwei Kilometer entfernten Ostsee ergänzen die inneren Vorzüge in diesem vergleichsweise ruhigen Stadtteil, der gut an den ÖPNV und die übergreifenden Straßen angebunden ist.

Standort + Energiekonzept + bezahlbare Miete = hohe Nachfrage
Nach nur sechs Monaten Bauzeit feierte die WIRO im Juli 2014 das Deckenfest für ihr Neubauprojekt. Nach knapp 13 Monaten – inklusive zweier Winter – war das Quartier bezugsfertig. „Durch eine geschickte Baustellen-Logistik, Fertig-Bauteile und den weitgehenden Verzicht auf Ort-Beton konnten wir die Bedingungen auf der Baustelle optimal nutzen“, erklärt Strobel. Entstanden sind zwei Vier- bis Sechs-Geschosser mit schlichter Kubatur, denen die Architekten Bastmann und Zavracky mit einer, teilweise vorgehängten, Mischfassade ein modernes, ansprechendes und zum Stadtviertel passendes Aussehen gaben. In den barrierefreien, 52 bis 92 Quadratmeter großen Wohnungen mit Balkonen, Aufzügen, gut belichteten Küchen und Bädern sowie einem PKW-Stellplatz vor der Tür wohnen heute jüngere und ältere Singles, Paare und Familien Tür an Tür. Obwohl die Nettokaltmiete mit 6,94 Euro pro Quadratmeter höher ausfällt als sonst im Quartier, waren alle 39 Wohnungen bereits Monate vor der Fertigstellung vermietet. Im Erdgeschoss fand außerdem eine 300 Quadratmeter große Kleintier-Arztpraxis ihren neuen und modernen Standort.

Hintergrund
Fast 4.000 Kunden unterzeichneten im Jahr 2014 einen Mietvertrag für eine WIRO-Wohnung. Nur 1,42 Prozent aller 36.000 Wohnungen im Bestand des kommunalen Vermieters blieben unvermietet.

Wohnungsbestand der WIRO nach Stadtteilen: 2.600 Wohnungen in der Innenstadt, 2.800 Südstadt, 2.000 in Reutershagen, 1.600 in der Kröpeliner-Tor-Vorstadt, 1.700 Lichtenhagen, 6.200 Lütten Klein, 5.000 Evershagen, 2.200 Komponistenviertel, 1.400 Hansaviertel, 2.500 Groß Klein, 1.800 Schmarl, 2.600 Toitenwinkel, 1.800 Dierkow und 1.200 in Warnemünde.