Nicht allein

Annemarie Strehlau in Gesellschaft.
In der guten Gesellschaft der Tagespflege blüht Annemarie Strehlau (links) auf. Foto: DOMUSIMAGES

Annemarie Strehlau hat vier Kinder, sechs Enkel und sieben Urenkel, die sich rührend um sie kümmern. Trotzdem fiel ihr zu Hause, seit dem Tod ihres Mannes, die Decke auf den Kopf. Seit einem Jahr kommt sie montags, dienstags und donnerstags zur Tagespflege der PIR in Reutershagen.

Donnerstag, halb acht, Evershagen. Annemarie Strehlau sitzt vor der Haustür, auf ihrem Rollator, und hält Ausschau nach dem rot-weißen Johanniterbus. Sie muss kaum drei Minuten warten. »Da kommt mein Ronny!« Ihre braunen Augen strahlen. »Einen schönen guten Morgen, Anne«, ruft er zurück. Die Seniorin steuert Richtung Bus. Der Fahrer legt einen Arm um ihre schmale Schulter und hilft ihr auf die Sitzbank. Zwanzig Minuten später, kurz vor acht, hält der Bus in der Thälmannstraße. Annemarie Strehlau liest für ihr Leben gern Krimis. Jeden Tag klingelt das Telefon, weil die Kinder was zu erzählen haben. Sie hat nette Nachbarn und Freunde im Garten. Trotzdem: »Den größten Teil des Tages bin ich allein.« Seit dem plötzlichen Tod ihres Mannes fehlt jemand zum Reden. »Auch das Mittagessen schmeckt nicht ohne Gesellschaft.« Als ihre Enkeltochter vor einem Jahr von der neuen Tagespflege der PIR Pflege in Rostock GmbH erzählte, hat sie sich gleich zum Schnuppertag angemeldet. Vorher hatte die Evershägerin schon eine andere Tagespflege inspiziert – und war direkt wieder umgedreht. »Das war so steril wie ein Krankenhaus.

Die Gesellschaft tut ihr gut
«In der Thälmannstraße hatte sie sofort ein gutes Gefühl: warme Farben, viel Holz, Platz und Licht. »Und vor allem ein herzliches Team.« An drei Tagen pro Woche kommt sie seitdem. »Dann geht`s in meinen Betrieb«, wie sie scherzhaft sagt. »Die Beschäftigung und die Gesellschaft tun mir gut.« Jeder Tag ist anders. Bei der Bewegungseinheit nach dem Frühstück sind noch fast alle dabei, danach macht jeder sein Ding. Annemarie Strehlau kann bei Rommé und Halma nicht Nein sagen. Sie bastelt gern mit Betreuerin Sandra Keller oder strickt auf der Couch. »Ich freue mich, wenn wir wieder draußen auf der Terrasse sitzen können.« Auch bei der Vorbereitung vom Mittagessen ist sie mittenmang. »Himmel & Erde, Senfei und andere mecklenburgische Gerichte stehen hoch im Kurs.« Ein Theaterstück hat Annemarie Strehlau mit den anderen einstudiert und eine Modenschau organisiert. Am liebsten mag sie die Wellnesstage, mit Gesichtsmaske, Massage und allem Drum und Dran. Die Gemeinschaft aus dem Team und den Gästen möchte sie nicht mehr missen. »Wir können hier alle offen miteinander quatschen, gern auf Platt, und keiner nimmt was krumm.« Wenn einem Gast das Herz schwer ist, hören die anderen zu. »Da ist eine große Vertrautheit. Wir halten zusammen wie eine große Familie.«

Fünf Fragen an Ramona Voß, stellvertretende Leiterin der Tagespflege

Ramona Voss
Ramona Voss. Foto: DOMUSIMAGES

Wer kommt zu Ihnen in die Tagespflege?
»Zu uns kommen pflegebedürftige Männer und Frauen zwischen 60 und 95 Jahren, die noch zu Hause wohnen. Sie leben allein oder werden von Angehörigen gepflegt. Einige haben keinen Pflegegrad, andere Pflegegrad 5. Wir sind eine Alternative zur stationären Pflege im Heim oder im betreuten Wohnen. Manche Gäste kommen täglich, andere einmal in der Woche. Für unsere Gäste sind die Tage hier eine Abwechslung, sie kommen unter Menschen und erleben eine feste Struktur. Wir freuen uns immer, wie die Gäste nach kurzer Zeit aufblühen. Und: Für die pflegenden Angehörigen ist diese Auszeit eine große Entlastung, denn Pflege kostet viel Kraft.«

Wer kümmert sich um die Tagesgäste?
»Wir sind ein Team aus Pflegefachkräften, die sich um die pflegerische und medizinische Versorgung kümmern, und Betreuerinnen. Sie stellen das Tagesprogramm auf die Beine, immer in enger Abstimmung mit den Gästen. Uns ist wichtig, dass jeder mit seinem Tempo und seinen Interessen bedacht wird. Mit rund 20 Plätzen ist unsere Tagespflege sehr familiär. Wir kennen unsere Gäste, ihre Biografie und ihre Vorlieben. Viele werden zu Hause von unseren PIR-Kollegen aus der ambulanten Pflege betreut. Wir tauschen uns aus und arbeiten eng zusammen.«

Wie sieht ein durchschnittlicher Tag aus?
»Die meisten Gäste werden morgens vom Fahrdienst abgeholt. Um 8 Uhr steht das Frühstück auf dem Tisch. Das Mittagessen bereiten wir gemeinsam zu, zwei Gerichte stehen zur Auswahl. Auch Kuchen fürs Kaffeetrinken backen wir oft mit den Gästen. Dazwischen, bis 15:30 Uhr, bieten wir unterschiedliche Beschäftigungsmöglichkeiten an, von Gymnastik über Spielrunden, Basteln und Zeitungsschau. Wir unternehmen Ausflüge in den Zoo oder in den Botanischen Garten. Demnächst wollen wir ein Hochbeet anlegen und ein Bienenhotel bauen.«

Welche Kosten kommen auf die Gäste zu?
»Pflegebedürftige und Angehörige wissen oft nicht, welche Leistungen ihnen zustehen. Kurz erklärt: Die Kosten hängen vom Pflegegrad ab. Ab Pflegegrad 2 übernimmt die Pflegekasse den Tagespflegesatz. Je höher der Grad, desto mehr Tage werden bezahlt. Die Kosten darüber hinaus, für Unterkunft und Verpflegung, Investitionskosten sowie Ausbildungszuschläge, trägt der Gast. Aber über den Entlastungsbetrag, das sind 125 Euro im Monat, kann man sich diese Kosten teilweise zurückholen. Auf unserer Internetseite www.pflegeinrostock.de finden Interessenten weitere Infos, unter anderem eine aktuelle Preisübersicht. Wir beraten gern persönlich und unterstützen auch bei den Anträgen.«

Können Interessenten die Tagespflege im Vorfeld kennenlernen?
»Interessenten können zum Schnuppertag kommen, ganz unverbindlich und kostenlos. Vorher führen wir ein ausführliches Beratungsgespräch mit dem Gast und den Angehörigen.«