Mit Karte, Kompass und Augenmaß

WIRO-Geschäftsführung
Die Geschäftsführer der WIRO: Christian Urban und Ralf Zimlich. Foto: AD-CREATIO, Foto@A-Duerst.de

Bei der Gründung 1990 war der Auftrag an die WIRO Wohnen in Rostock eindeutig. Marode Häuser mussten gerettet, das Unternehmen wirtschaftlich stabilisiert werden. Heute gibt es andere Herausforderungen: den Wert der Immobilen im städtischen Besitz durch gute Bewirtschaftung, Investitionen und energetische Modernisierung langfristig zu steigern, Mietwohnungsneubau und eine hohe gesellschaftliche Verantwortung. Ein Gespräch mit den Geschäftsführern Ralf Zimlich und Christian Urban über ein Vierteljahrhundert Unternehmensgeschichte – und ein Blick in die Zukunft.

Herr Zimlich, Herr Urban, ein Jubiläum ist meist hart erarbeitet. Welche spezielle Situation herrscht am Rostocker Wohnungsmarkt, die Anlass dazu gibt, mit Vorfreude und gespannt auf den 25. Geburtstag der WIRO zu schauen?

Ralf Zimlich: „Rostock hat vieles, was andere Städte nicht haben: eine hanseatische Tradition, ein gewachsenes Umfeld mit vielen grünen Inseln und die Ostsee. Bei ihrer Gründung 1990 war der Auftrag an die WIRO eindeutig: Marode Häuser mussten gerettet, das Unternehmen wirtschaftlich stabilisiert werden. Heute erleben wir, dass die Stadt wächst, unsere Mieter gleichzeitig aber immer älter werden. Innerhalb der Stadtgrenzen gibt es zwischen Nordwesten und Südosten kaum noch ein unsaniertes Haus, dafür noch einige „weiße Flecken" in besonders attraktiven oder innerstädtischen Lagen, die wir entwickeln werden. Dabei haben wir gelernt, dass Pläne wie der Mietwohnungsneubau auf der Warnemünder Mittelmole oder am Werftdreieck stärker als früher in Frage gestellt werden und Bürgerbewegungen hervorrufen - insbesondere dann, wenn in der Nachbarschaft Hochhäuser oder Folgen wie mehr Verkehr oder höhere Lärmbelästigung befürchtet werden. Akzeptanz erreichen und Vertrauen schaffen, das sind die Herausforderungen, denen wir uns als Bauherren künftig stellen müssen."

Ein Sprichwort sagt: „Auch aus Steinen, die dir in den Weg gelegt werden, kannst du etwas Schönes bauen." Wer sich Transparenz und Offenheit zum Dialog auf die Fahnen schreibt, muss Taten folgen lassen - wie sehen diese bei der WIRO aus?

Ralf Zimlich: „Wir sehen unsere Chance im Dialog: mit den Bürgern, die in der Nachbarschaft wohnen, mit unserem Gesellschafter, der vermitteln muss, mit Experten, die helfen, ein gutes Projekt noch besser zu machen. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist die Entwicklung der Mittelmole in Warnemünde. Um an diesem einmaligen Standort, dem Tor zur Ostsee, 300 Wohnungen zu bauen, die auch noch in 50 Jahren nachgefragt werden, haben wir - in enger Zusammenarbeit mit der Hansestadt - viel Zeit und Arbeit für den Städtebaulichen Wettbewerb und die Ausstellung der Siegerentwürfe, Planungswerkstätten und Bürgerforen aufgewendet. Denn die Zeiten, in denen Bürgerbeteiligung als formaler Akt galt, sind vorbei. Allein das Gefühl, übergangen worden zu sein, reicht aus, um bei Menschen Widerstand zu provozieren."

Gewinnorientierung und soziale Verantwortung sind kein Widerspruch. Was muss ein kommunales Wohnungsunternehmen heute leisten?

Ralf Zimlich: „Die WIRO schreibt schwarze Zahlen, leistet jedes Jahr einen Beitrag zum Rostocker Haushalt. Für 2014 werden wir 14 Millionen Euro Gewinn an den Gesellschafter ausschütten. Diese wirtschaftliche Stabilität gibt uns Spielraum, um gesellschaftliche Verantwortung für die Hansestadt zu übernehmen. Die WIRO engagiert sich für stabile Quartiere: betreibt Mietertreffs, bewirtschaftet 100 Spielplätze, acht Turnhallen oder den Sportpark Gehlsdorf. Wir unterstützen rund 90 Institutionen überall in der Hansestadt, darunter Ehrenamtler, kleine und große Künstler, Sportler, Kinder, Vereine und viele Feste. Da sind wir als kommunales Unternehmen heute noch viel mehr als früher gefragt."

Der aktuelle Rostocker Mietspiegel für 2015 weist einen durchschnittlichen Preis von 5,69 Euro pro Quadratmeter aus und hat sich damit im Vergleich zu 2013 um 17 Cent erhöht. Die Preise variieren je nach Lage und Größe allerdings extrem. Diese Entwicklung ist ein Thema, das viele bewegt. Wie steht die WIRO im Vergleich da? Und bleiben Mieten bezahlbar?

Ralf Zimlich: „Alle Einkommensgruppen können bei der WIRO eine Wohnung finden, so steht es im Gesellschaftervertrag. So wird es auch bleiben. Die WIRO-Mieten sind in den letzten beiden Jahren um rund 1,6 Prozent gestiegen, die durchschnittliche Miete liegt bei 5,66 Euro - knapp unter dem Rostocker Mittel. Am teuersten wohnen WIRO-Mieter im Stadtteil Warnemünde (6,72 Euro pro Quadratmeter), am günstigsten in Schmarl (5,07 Euro). Ein Bestand mit 36.000 Wohnungen muss aber gepflegt und weiterentwickelt werden. Das können wir nur leisten, wenn wir die finanzielle Grundlage dafür haben. Behutsame Mieterhöhungen sind unumgänglich - selbstverständlich, ohne unsere soziale Verantwortung für die Mieter dabei aus den Augen zu verlieren.

Jedes Jahr bekommt Rostock mehr Einwohner. Nur durch Mietwohnungsneubau lässt sich die hohe Nachfrage entlasten. Außer den Bau von 300 neuen Wohnungen auf der Mittelmole: Welche Projekte plant die WIRO noch?

Christian Urban: „Die WIRO hat rechtzeitig reagiert und ein Neubauprogramm gestartet: Im Fritz-Meyer-Scharffenberg-Weg im Stadtteil Groß Klein haben wir 39 neue Wohnungen gebaut - und noch vor der Fertigstellung voll vermietet. In diesem Jahr beginnen wir mit dem Bau von 170 Wohnungen auf der Holzhalbinsel in der Innenstadt und 60 in der Warnemünder Parkstraße. Weitere Projekte sind in der Entwicklung. Ganz wichtig: auch hier mit breiter öffentlicher Beteiligung. Dabei geht es um mehrere Hundert Wohnungen auf dem Werftdreieck, die zwischen der Kröpeliner-Tor-Vorstadt aus den 1930er-Jahren und den modernen Appartements am Wasser der Rostocker Hafencity eine städtebauliche Verbindung schaffen sollen. Um Altes und Neues sinnvoll zusammenzuführen, werden noch in diesem Jahr Gestaltungswettbewerbe ausgelobt und interessierte Rostocker an der Entwicklung des Wohnquartiers offen und transparent beteiligt."

Demografischer Wandel, unterschiedliche Lebensrhythmen beim Zusammenleben von Alt und Jung: Die Ansprüche ans Wohnen ändern sich. Wie reagiert die WIRO darauf?

Christian Urban: „Wir haben viele ältere Mieter und in den nächsten Jahren werden es noch mehr. Wir haben unseren Bestand analysiert und in einem Zukunftskonzept festgelegt, wie wir ihn an die demografische Entwicklung anpassen: mit altersgerechten Umbauten wie Aufzügen, elektronisch betriebenen Eingangstüren, Klingelanlagen mit Notruffunktion, Rampen an den Hauseingängen. Wir haben das Budget aufgestockt, allein im Jahr 2015 planen wir 33 Millionen Euro für Modernisierungen und Instandhaltung - eine Entwicklung mit Karte, Kompass und Augenmaß, keine Hau-Ruck-Aktion für den gesamten Bestand. Wir werden über die Jahre gleichmäßig und nachhaltig investieren."

Die Ressourcen der Erde sind endlich. Diese nicht so neue Erkenntnis führt in allen Bereichen der Gesellschaft zum Umdenken. Klimaschutz und den Einsatz erneuerbarer Energien setzt die WIRO schon lange um: bei Neubauten ebenso wie bei Modernisierungen im Bestand. Was bringen die nächsten Jahre?

Christian Urban: „Anders als bei den meisten Wohnungsgesellschaften ist die energetische Sanierung bei der WIRO keine große Herausforderung mehr. Seit den Komplettsanierungen nach der Wende sind die Häuser auf einem guten Stand. Der CO2-Ausstoß wurde halbiert, der Energieverbrauch ist um 40 Prozent gesunken. Natürlich gibt es immer etwas zu tun: Dächer, Fassaden und Treppenhäuser müssen erneuert werden. Das ist laufendes Geschäft. Unser Fokus liegt auf erneuerbaren Energien. Die WIRO betreibt 51 Fotovoltaikanlagen, Sonnenkollektoren, die erste Eisspeicherheizung ging in diesem Jahr im Stadtteil Groß Klein in Betrieb. In den nächsten Jahren bauen wir verstärkt solarthermische Anlagen, die funktionieren rund ums Jahr und senken die Betriebskosten für Warmwasser und Heizung. 24 Anlagen stehen schon auf WIRO-Dächern."

Im Jahr 2014 hat sich die WIRO als „Wohnfühlgesellschaft" etabliert. Mit diesem Selbstverständnis ist das Unternehmen auf einem guten Weg: bei der Kundenorientierung, beim Betriebsergebnis und im kollektiven Miteinander. Was steckt hinter dieser Marke?

Ralf Zimlich: „In jedem modernen Wohnungsunternehmen steht heute der Kunde im Mittelpunkt. Meistens gelingt dies auch. Wir aber wollten einen Schritt weitergehen. Auch wenn Wohnen ein Grundbedürfnis des Menschen ist und die eigenen vier Wände die Keimzelle des Wohlfühlens sind - für die WIRO trifft das nicht nur auf die Wohnungsversorgung zu, sondern tangiert verschiedene Ebenen: die Gesellschaft, die Stadt, das Unternehmen und 70.000 WIRO-Mieter. Unser Ziel ist es, dass Menschen sich bei und mit uns wohlfühlen. Die Marke „Wohnfühlgesellschaft" ist ein Versprechen, dass die Erwartungen unserer Mieter im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen.

„Service mit Wohlfühlgarantie" braucht Mitarbeiter, die sich selbst wohlfühlen. Wie leiten, fördern und begeistern Sie ihr 600 Mann starkes Team?

Ralf Zimlich: „Gute und sichere Beschäftigungsbedingungen bedeuten für uns vor allem eine Unternehmenskultur, in der die Arbeit aller Mitarbeiter geschätzt und die Balance zwischen Engagement und Familienverträglichkeit gefördert wird. Ein zufriedener Mitarbeiter ist jemand, der eine Aufgabe hat, die ihm Spaß macht. Der eigenständig und verantwortungsbewusst agieren kann und gute Arbeitsbedingungen hat. Um alle mitzunehmen, machen wir Angebote. Angebote für den Kopf, die das Fachwissen und das Selbstbewusstsein stärken, und Angebote für den Körper, die ihn gesund und leistungsfähig halten."

Die WIRO in Zahlen

  • 5,66 Euro/qm ist die durchschnittliche Nettokaltmiete bei der WIRO. Sie liegt unter dem Rostocker Mietspiegel (2015: 5,69 Euro/qm)
  • 1,42 Prozent ist der aktuelle Leerstand bei der WIRO. Vor zehn Jahren waren es noch 6,23 Prozent.
  • 600 WIRO-Mitarbeiter geben jeden Tag ihr Bestes, damit Rostocker gut wohnen.
  • Um 16 oder Cent sind die WIRO-Mieten in den letzten fünf Jahren gestiegen, von 5,50 Euro/qm im Jahr 2009 auf 5,66 Euro derzeit. Dies entspricht 2,9 Prozent oder 0,58 Prozent p.a.
  • 71 Millionen Euro Gewinn hat die WIRO allein in den vergangenen fünf Jahren an die Hansestadt ausgeschüttet.
  • 35.620 Wohnungen gehören zum Bestand, außerdem: 627 Gewerbeobjekte, 9.259
  • Stellplätze, 477 Bootsliegeplätze, 8 Turn- und Sporthallen, 3 Jugend- und Studentenhäuser.

Die WIRO baut

  • Holzhalbinsel: In diesem Jahr legt die WIRO den Grundstein für 170 neue Wohnungen auf der Holzhalbinsel. Mit Grundrissen zwischen 65 und 135 Quadratmetern, großen Fenstern, barrierearm. Geplante Fertigstellung: 2017.
  • »Dünenquartier«: Im Frühjahr ist Baustart für 60 neue Mietwohnungen in der Warnemünder Parkstraße. Bis 2017 entstehen hier vier Häuser mit 2- bis 5-Raum-Wohnungen.
  • Werftdreieck und Mittelmole: Die Hansestadt Rostock folgt dem Wunsch vieler Einwohner, eine der prominentesten Brachen mit dringend benötigtem Wohnraum zu bebauen. Auf dem 7 Hektar großen Grundstück am Werftdreieck sollen in innerstädtischer Lage - zwischen Heinkel-Mauer, Neptun-Center und Lübecker Straße - einige Hundert Wohnungen entstehen. Auch auf der Warnemünder Mittelmole plant die WIRO in den nächsten Jahren ein neues Quartier zum Wohnen, Leben und Arbeiten.